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DER FALL RELOTIUS

Dezember 19, 2018

Es ist ein bemerkenswert arroganter Einstieg in einen Artikel, der einen der größten Fake-News-Fälle der Geschichte des Journalismus aufdecken soll. In eigener Sache noch dazu. "Kurz vor dem Ende seiner Karriere kommen sich Glanz und Elend im Leben des Claas Relotius einmal ganz nah.", schreibt Ullrich Fichtner, Chefredakteur des Spiegel und damit verantwortlich für einen der meinungsstärksten journalitischen Player in Deutschland und Europa. Selbstkritik findet sich in dem außergewöhnlich langen Artikel auch. Trotzdem entstehen bei mir viele Fragen. Eine der Wichtigsten: Hätte der Skandal Faktenchek verhindert werden können?

Von der Ferne aus ist das sicher nicht abschließend zu beurteilen. Aus eigener Erfahrung kann ich aber nur sagen, dass ich in meiner Zeit als investigativer Journalist bei aufwendigen Recherchen immer nach den entscheidenen Belegen gefragt wurde. Ohne zumindest eine "Zurkenntnisnahme" wurde im Grunde nichts veröffentlicht. So Frage ich mich, ob Claas Relotius Bilder von seinen erfundenen oder manipulierten Protagonisten vorlegen musste? Galt für die entscheidenen Passagen das Zwei-Quellen-Prinzip? Wie überprüfen Jurys ihre zukünftigen Preisträger und deren Texte?

Hoffnung für echten Journalismus

Spiegel-Chef Ullrich Fichtner schreibt selbst, dass Relotius' Durchschplüpfen durch die Qualitätssicherung des Spiegel "schmerzt". Das kann ich gut nachvollziehen, halte ich auf der einen Seite für vollkommen glaubhaft, auf der anderen Seite für genauso jammerig. Es gilt jetzt zu prüfen, wie so etwas passieren konnte und genau das hat die Redaktion des Spiegel ja angekündigt. Vielleicht hätte es schon geholfen, auf den Kollegen Juan Moreno zu hören, der ja anscheinend schon deutlich früher skeptisch geworden ist. Wichtig zu realisieren ist: Ein Journalist hat auf den "Fall Relotius" aufmerksam gemacht. Ein echter Journalist, anscheinend. Und das macht mir Mut. Für den Spiegel und auch für den echten Journalismus.

 


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